Blog-Reihe Belegungsmanagement: Teil 1 Die Zeit ist reif für ein zentrales Belegungsmanagement!

Bereits im Jahr 2013 hat eine ZEQ-Beraterin in einem Blog die „Erfolgsfaktoren eines zentralen Belegungsmanagements“ formuliert, die wir zu diesem Zeitpunkt aus unseren Beratungsprojekten herausfiltern konnten – aber erst in jüngerer Zeit tritt das Belegungsmanagement in vielen Krankenhäusern so richtig in den Fokus einer Prozess-Reorganisation mit dem Ziel, die stets knappe Ressource Bett so produktiv wie möglich zu nutzen. Die Zeit scheint also reif zu sein für ein Zentrales Belegungsmanagement (im Folgenden mit „ZBM“ abgekürzt) – der Weg bei der Einführung ist jedoch mit vielen Stolpersteinen gepflastert, kann leicht scheitern und hinterlässt dann nicht selten „verbrannte Erde“.

 

Wir bei ZEQ haben unsere Methodik und unser Vorgehen in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelt, daher will ich in einer Blogreihe in den kommenden Wochen das Vorhaben ZBM von allen Seiten beleuchten und in seinem Vorgehen und seinen Konsequenzen beschreiben. In meinem ersten Beitrag möchte ich mich zunächst den Prämissen bei der Vorbereitung widmen.

Vor dem Beginn eines Projekts zur Einführung eines ZBM sind einige kritische Erfolgsfaktoren zu beachten und entsprechend der Zielsetzung für die Veränderung aufzugreifen:

  1. Für das ZBM ist eine vollständige Betteninventur erforderlich. Häufig existieren zwischen den Verantwortlichen aus Verwaltung und Klinik doch deutliche Unterschiede, was die „richtige“ Bettenzahl anbetrifft: Ist die Zahl der Planbetten gemeint? Sind es die physisch aufgestellten Betten oder etwa die tatsächlich belegten/ belegbaren Betten? Die Inventur umfasst auch spezifische Informationen für jedes Bett, wie sein Stellplatz im Patientenzimmer (Fenster/ Mitte/ Tür) und Charakteristika, die eine vollkommen freie Nutzung einschränken können, wie die Festlegung als „Wahlleistungsbett“ oder „Frauen-/ Männerbett“. Darüber hinaus gibt es auch spezielle hygienerelevante Ausstattungen (z.B. Schleuse vor dem Zimmer und damit bevorzugte Nutzung für infektiöse Patienten). Letztlich muss jedes Bett eindeutig identifiziert sein!
  2. Heute ist es noch weit verbreitet, dass Bettenkontingente den Fachabteilungen fest zugeordnet werden („Die Abteilung für Allgemeine Innere Medizin verfügt über 46 Betten“). In der Regel ist diese Kontingentierung traditionell gewachsen und starr. Als Folge davon findet sich eine hohe Autonomie der Fachabteilung bei der Belegung „ihrer“ Betten – Patienten einer anderen fachlichen Zuordnung werden als „Fremdlieger“ bezeichnet und als problematisch für die eigenen Abläufe angesehen. Genauso verhält es sich mit den eigenen Patienten, die als „Außenlieger“ in anderen Fachabteilungen aufgenommen werden. Fremd- und Außenlieger verursachen eine hohe Zahl an internen Verlegungen, um stets eine „fachabteilungsreine“ Belegung sicherzustellen. Für ein ZBM stellt der starre Fachabteilungsbezug der Betten jedoch eine große Restriktion dar! Neu hinzu gekommen sind gesetzliche Anforderungen mit Auswirkung auf das Belegungsmanagement, v.a. in Bezug auf das Verhältnis von Pflegekräften zu betreuten Betten im Zusammenhang mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV).
  3. Die Bettenbelegung wird in der überwiegenden Zahl der Krankenhäuser heute noch bevorzugt an den Elektivpatienten ausgerichtet. Richtig ist dabei der Ansatz, dass das Leistungsversprechen für den geplanten Patienten die „Bettgarantie“ einschließt und verhindert werden soll, dass für den Elektivpatienten am Tag seiner Aufnahme kein freies Bett verfügbar ist. Das darf aber im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass der Notfallpatient bzw. ungeplante Patient im Rahmen des Belegungsmanagements nahezu gar nicht planerisch berücksichtigt, als „Störfaktor“ wahrgenommen und im Sinne eines „trouble shootings“ in irgendein freies Bett im Haus aufgenommen wird! Auch wenn diese Patienten natürlich nicht namentlich sowie bezüglich ihrer individuellen Diagnose bekannt sind, lassen sie sich statistisch relativ genau für das ZBM vorhersagen!
  4. In den Fachabteilungen mit einem hohen Anteil an Elektivpatienten hat sich über die Jahre hinweg bereits ein „kleines, aber feines“ eigenes Belegungsmanagement entwickelt. Im gut eingespielten Zusammenwirken von Sprechstunde, Sekretariat, Funktionsdiagnostik/ OP-Planung und Stationen haben die Verantwortlichen funktionierende Aufnahme- und Belegungsregeln entwickelt und immer weiter verfeinert. Die Protagonisten betonen die Vorteile kurzer, persönlicher Entscheidungswege und das hohe Know-how bei allen Beteiligten „zum Wohle ihrer Patienten“. Die Idee eines ZBM wird daher als (durchaus begründbare) Verschlechterung des etablierten Systems und als Bedrohung der eigenen Autonomie wahrgenommen. Ferner wird die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, unter dem Regime eines ZBM weniger Patienten versorgen zu können. Damit ist es ein Irrglaube, dass ein ZBM von allen als Überwindung eines zunehmend untragbaren Defizitzustands herbeigesehnt wird – das ZBM löst mitunter auch gut funktionierende Substrukturen auf!
  5. Die Einführung eines ZBM geht bei vielen mit der Vorstellung einher, dass es erforderlich ist, zusätzliche Stellen für diese neue Managementfunktion zu schaffen, um einen 24/7-Betrieb zu gewährleisten. Damit kommt man – inklusive der Berücksichtigung von Personalausfall – leicht auf viele Vollkraft-Anteile! Kombiniert man das dann noch mit der Idee, das ZBM beispielsweise der Pflegedirektion zu unterstellen, taucht schnell die Frage auf, ob zur Implementierung der zukünftigen ZBM-Struktur bestehende Stellen (hier: im Pflegedienst) umgewandelt werden müssen und dann für die Patientenversorgung fehlen. Die Ressourcensituation wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor und gleichzeitig zur größten Restriktion eines ZBM! Viele Häuser versuchen, den Aufwand durch die Einschränkung der Servicezeiten des ZBM zu verringern (z.B. Präsenzzeit von 07:30 bis 15:30 Uhr) – damit wird jedoch der angestrebte Regelfall zur Ausnahme und das ZBM steht zu belegungskritischen Zeitpunkten des Tages (v.a. am späteren Nachmittag) als steuernde Instanz nicht mehr zur Verfügung. Unsere Erfahrung aus vielen Projekten bei ZEQ lehrt uns, dass das ZBM keinesfalls auf einen 24/7-Betrieb ausgerichtet werden muss, eine Präsenz im Zeitraum etwa von 07:00 - 19:00 Uhr aber garantiert sein sollte!
  6. Schaut man sich die Belegungssteuerung im IST-Zustand an, lässt sich feststellen, dass durch ein ZBM der Aufwand dafür nicht neu erschaffen, sondern lediglich anders organisiert wird. Auch im IST-Zustand wenden Pflegekräfte, Sekretariatskräfte und Ärzte heute bereits wiederkehrend viel Zeit für die Koordination der Betten auf. Diese Zeit wird in der Regel nicht systematisch erfasst, dürfte aber bezogen auf das gesamte Krankenhaus eine relevante Größenordnung annehmen! Für ein Projekt ZBM bedeutet dies, dass es zu einer Neu-Allokation von Personalressourcen kommt, die an anderen Stellen freigesetzt werden (z.B. in den Sekretariaten der Fachabteilungen). Dieser Umstand muss bei der Planung und Konzeptionierung eines ZBM berücksichtigt werden!
  7. Das ZBM ist nur ein einzelnes Inkrement im gesamten Prozess der Patientenversorgung und über zahlreiche Wechselwirkungen in vor- und nachgelagerte Prozesse eingebettet. Damit ergeben sich Abhängigkeiten, die bei der Einführung eines ZBM unbedingt beachtet werden müssen. Von zentraler Bedeutung ist sicher die Entlassung der Patienten – ein Projekt ZBM greift immer auch in stationäre Prozesse ein. Im Sinne einer Pull-Ausrichtung des Prozessflusses ist die zuverlässige und transparente Entlassplanung also eine conditio sine qua non für ein wirksam funktionierendes Belegungsmanagement. Auch die Aufnahme ist von großer Bedeutung: hier kommt es durch ausgeprägte Belegungsschwankungen zu Verwerfungen im Stationsablauf – eine „Glättung“ der täglichen, stationären Aufnahmen erleichtert das Belegungsmanagement. Vergleichbare prozessuale Abhängigkeiten finden sich zur Notaufnahme, zur administrativen Aufnahme sowie zur Leistungsstellenplanung der Funktionsdiagnostik und zum OP (Grundsatz: „keine OP ohne Bett“). Die erforderliche Transparenz lässt sich hingegen nur über einen durchgängig digitalen Workflow herstellen.
  8. Auch wenn wir von einem „zentralen“ Belegungsmanagement sprechen, gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie weit der Einfluss des ZBM reichen soll: Wird jeder Patient vollumfänglich im System über das ZBM in das vorgesehene Bett gelegt oder behalten die Stationen ein Mitspracherecht oder gar eine Teil-Autonomie? Nimmt das ZBM auch interne Verlegungen zwischen Stationen zentral vor und geht es dabei sogar soweit, dass es auch die Verlegungen der Patienten im Zimmer oder zwischen den Zimmern einer Station durchführt? Wer entscheidet nach welchen Regeln über Bettensperrungen: ausschließlich das ZBM oder die Mitarbeiter der jeweiligen Station vor Ort? Die Ausgestaltung der Eingriffs-, Mitwirkungs- und Informationsrechte und -pflichten sind im Detail für die Handhabbarkeit und Akzeptanz des ZBM von großer Bedeutung und sollten bereits im Vorfeld des Projekts definiert werden! Entscheidend ist also die Antwort auf die Frage, wieviel zentrale Befugnisse benötigt das ZBM und wieviel dezentrale Einflussmöglichkeiten können zugelassen werden?
  9. Für die Einführung eines ZBM sind a priori zwei Alternativen denkbar: Gleichzeitiger Start mit allen Fachabteilungen zu einem Stich-Zeitpunkt oder Implementierung der neuen Regelungen in ausgewählten Pilotabteilungen und anschließender sukzessiver Roll-Out über das Gesamthaus. Jede der Alternativen benötigt spezifische Voraussetzungen und bringt unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich. Letztlich muss die Vorgehensweise bei der Einführung den individuellen Bedingungen des betreffenden Krankenhauses Rechnung tragen, sollte aber bereits im Rahmen der Projektierung berücksichtigt werden!

Wenn wir ein Beratungsmandat in einem Projekt zur Einführung eines Belegungsmanagements übernehmen, formulieren wir die folgenden organisatorischen/prozessualen Eckpfeiler:

  1. Betten gehören nicht einer einzelnen Fachabteilung, sondern ausschließlich dem Gesamthaus und sind im Sinne der bestmöglichen Versorgung des Patienten zu belegen. Das bedeutet, dass den Abteilungen keine starren Kontingente zugeordnet werden, sondern die Bettenauslastung dynamisch den Bedarfen des Gesamthauses und den Bedürfnissen des Patienten folgt. Dynamisch meint in diesem Zusammenhang das heutige und zukünftige Leistungsgeschehen der Fachabteilungen, kann aber auch saisonale Effekte mit Auswirkung auf die Belegung umfassen.
  2. Das ZBM ist immer eine Managementfunktion, die über den Abteilungen und Berufsgruppen steht und somit in der Regel der Geschäftsführung direkt untergeordnet werden sollte.
  3. Die Befugnisse des ZBM sind umso rigider, je höher die Bettenauslastung ist (Eskalationsmechanismus).
  4. Das ZBM steuert ausnahmslos alle Patienten, die stationär aufgenommen werden sollen, also sowohl geplante, als auch ungeplante und Notfallpatienten, mit GKV- oder PKV-Status.
  5. Im ZBM werden drei Gruppen von Patienten unterschieden: Elektivpatienten (medizinisch und organisatorisch wenig dringlich, daher gut und mit ausreichend Vorlauf planbar, allerdings hoher prästationärer Koordinationsaufwand), Notfallpatienten (medizinisch und organisatorisch akut dringlich, eingeschränkt statistisch vorhersehbar) und ungeplante Patienten (medizinisch aufgeschoben dringlich, organisatorisch dringlich, statistisch gut planbar). Der Notfallbegriff wird also nicht mehr als „Sammelbecken“ für alle nicht elektiven Patienten verwendet, sondern muss medizinisch genau definiert werden. Damit sind Notfälle organisatorische Ausnahmen, die außerhalb des Regelprozesses laufen und ein funktionierendes Belegungsmanagement nur vor gut zu bewältigende Herausforderungen stellen. Die Patienten, die den höchsten kurzfristigen Koordinationsaufwand für das ZBM und höchstmögliche Disziplin erfordern, sind die ungeplanten Patienten. Schwierig ist, dass sowohl Notfallpatienten, als auch ungeplante Patienten heute noch nahezu undifferenziert über die Zentrale Notfallambulanz ins Krankenhaus (und somit auf Station) gelangen.
  6. Sperrgründe für Betten müssen genau definiert, in ihrer Zahl auf das Wesentliche beschränkt und im System hinterlegt werden.
  7. Die Einführung eines ZBM kann nur als Teil und erster Schritt der Entwicklung eines zentralen Aufnahme-Centers verstanden werden, das heute noch strikt getrennte Organisationseinheiten und deren Aufgaben weitgehend zusammenfasst und koordiniert: Zentrales Belegungsmanagement/ Zentrale Elektivambulanz/ Zentrale Administrative Aufnahme und Zentrale Interdisziplinäre Notfallambulanz (Abbildung 1). Das Projekt ZBM sollte diesem Zusammenhang Rechnung tragen.
  8. Das Zentrale Belegungsmanagement wird prospektiv in die Rolle als Zentrale Aufnahmeplanung weiterentwickelt und bündelt in der letzten Entwicklungsstufe alle Aufgaben, die vor dem stationären Aufenthalt eines Patienten koordiniert werden müssen: Festlegung des Aufnahmetermins und Bettreservierung, Verbindung mit dem Termin zur OP, zum Eingriff oder zur Untersuchung sowie Vorbereitung des prästationären Vorbereitungstags (Termin für erforderliche Diagnostik und anästhesiologische bzw. chirurgische Aufklärung sowie für die administrative und ggf. pflegerische Aufnahme). Hinzu kann die Prüfung der vertraglichen Leistungsansprüche des Patienten, insbesondere Wahlleistungen, kommen (Abbildung 2).

In meinen Blog-Beiträgen zu dieser Reihe in den kommenden Wochen werde ich ausgewählte Aspekte zum Zentralen Belegungsmanagement weiter vertiefen.

Abbildung 1: Zusammenfassung von ZBM und anderen Bereichen zu einem Aufnahme-Center

Abbildung 2: Weiterentwicklung des ZBM zur zentralen Aufnahmeplanung

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