Marktmechanismen im Krankenhaus - die Physiotherapie als interner Dienstleister

Die Physiotherapie befindet sich derzeit in einer zwiespältigen Doppelrolle. Sie wird zunehmend als zentraler Bestandteil einer ganzheitlichen, qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung im Krankenhaus anerkannt. Sie sorgt für einen schnelleren Heilungsverlauf und senkt dadurch die Verweildauer der Patienten. Durch regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen und die Nähe der Therapeuten zu ihren Patienten liefert sie außerdem wertvolle Beiträge zur Patientenzufriedenheit.

 

1         Die Rolle der Physiotherapie im Krankenhaus

Im Stationsalltag muss sie sich aber immer wieder mit einem untergeordneten Platz in der internen „Nahrungskette“ zufrieden geben: Physiotherapeutische Behandlungen sind in der Regel nicht terminiert und häufig nur schwer planbar. Für pflegerische, ärztliche oder diagnostische Maßnahmen wird die Physiotherapie schon einmal spontan verschoben. Eine physiotherapeutische Abteilung muss sich dabei nicht nur der Aufgabe stellen, diese organisatorischen Schwierigkeiten zu meistern und eine lückenlose Versorgung der Patienten sicherzustellen. Sie befindet sich zusätzlich unter konstantem wirtschaftlichem Rechtfertigungsdruck.

2         Finanzierungsprobleme der Physiotherapie

Während die medizinische Bedeutung der Physiotherapie kaum noch angezweifelt wird, scheint sie aus kaufmännischer Sicht häufig eher ein schwer zu definierender Kostenfaktor zu sein. Den sehr realen Personalkosten der Abteilung stehen dabei schlecht quantifizierbare Erlösbeiträge gegenüber: Im DRG-System ist die Physiotherapie zwar eingerechnet, lässt sich jedoch auch mit Hilfe einer InEK-Matrix nicht einzeln ausweisen. Auch der Beitrag zur verbesserten Verweildauersteuerung lässt sich in der Regel nicht exakt bestimmen. Der Wert der Physiotherapie lässt sich lediglich dann in Euro beziffern, wenn sie abrechnungsrelevant wird (z.B. bei erlösträchtigen Komplexpauschalen).

Die Kosten der Physiotherapie steigen dagegen kontinuierlich an. Ihre verbesserte Anerkennung im medizinischen Prozess führt zu einer deutlichen Zunahme der Verordnungszahlen durch den ärztlichen Dienst. In vielen Häusern lässt sich diese Mehrzahl an physiotherapeutischen Behandlungen nicht vollkommen durch organisatorische Verbesserungen abdecken: Weitere Therapeuten müssen eingestellt werden. Die Verordnungen sind dabei häufig „breit gestreut“. Vielen Patienten wird Physiotherapie verordnet, obwohl dies nicht unbedingt notwendig ist. Die ärztlichen Anordnungen geschehen regelmäßig eher standardisiert als tatsächlich individuell durchdacht.

3         Das Krankenhaus als internes Marktgefüge

Das Grundproblem für die Physiotherapie besteht in dem fehlenden Verständnis für die internen Marktmechanismen, die sich in einem Krankenhaus abspielen. Betrachtet man das Krankenhaus als Marktsystem, so ist die Physiotherapie ein „Dienstleister“, der seinen „Kunden“ – nämlich den einzelnen Fachbereichen – physiotherapeutische Behandlungen liefert. Die Physiotherapie als „Dienstleister“ unterliegt dabei aber besonderen Problemen:

  1. Sie hat keine Freiheit über die Leistungserbringung: Die Verantwortung für die Verordnung der physiotherapeutischen Behandlungen liegt bei den Ärzten. Die Physiotherapie muss dabei jede Verordnung auch erbringen.
  2. Sie hat keine Preiskontrolle: Der finanzielle Gegenwert der physiotherapeutischen Behandlungen wird in aller Regel zentral festgelegt.

Diese internen Marktmechanismen sollte sich ein Krankenhaus zu Nutze machen. Mit nur geringen Anpassungen kann ein internes Abrechnungssystem zur Kontrolle der Verordnungen genutzt werden. Solange physiotherapeutische Behandlungen „günstig“ zu haben sind, verordnen die Fachbereiche großzügig. Erst, wenn die Anordnung der Physiotherapie auch im Budget des Fachbereichs zu spüren ist, kann ein durchdachtes Verordnungsverhalten erreicht werden. Dadurch wird einer kontinuierlichen Kostensteigerung in der Physiotherapie entgegengewirkt. Ein solches System lässt sich mit Hilfe von zwei grundlegenden Schritten etablieren.

3.1               Adäquate Leistungsabrechnung

Die Grundvoraussetzung ist eine adäquate Abrechnung physiotherapeutischer Behandlungen. Dabei sollte in einem Hausleistungskatalog genau definiert werden, welche Leistungen abrechenbar sind. Zu einer physiotherapeutischen Behandlung zählen dabei neben der Aug-in-Aug-Zeit mit dem Patienten z.B. auch die Vor- und Nachbereitung einer Behandlung, die angemessene Dokumentation, die Teilnahme an berufsgruppenübergreifenden Besprechungen und Visiten oder ggf. die Hilfsmittelversorgung.

3.2               Der Verrechnungspreis als Kontrollmechanismus

Der zweite Schritt ist eine Anpassung des internen Verrechnungspreises. Dieser sollte auf Basis der Personalkosten festgelegt werden und mindestens eine Gegenfinanzierung der Physiotherapie ermöglichen. Dabei muss auch die Verwaltungszeit (z.B. für die Leitung der Abteilung) einberechnet werden. Die Berechnung muss jährlich überprüft und gegebenenfalls muss der Preis angepasst werden.

4         Die Krux ambulanter Behandlungen

Gerade bei großen Krankenhäusern kommt zur hohen Zahl stationärer Behandlungen noch die ambulante Physiotherapie hinzu. Die Idee ist, dem Patienten eine ganzheitliche Betreuung zu ermöglichen. Für die Mitarbeiter der Physiotherapie ist die Versorgung der Patienten auch nach der stationären Behandlung ein zusätzlicher Motivator. Organisatorisch werden ambulante Behandlungen als Puffer für solche Zeiten eingesetzt, an denen die stationären Patienten für die Therapeuten nicht zugängig sind (z.B. um die Mittagszeit).

Für eine wirkliche Pufferfunktion fehlt allerdings häufig die Flexibilität: Die langfristige Planung von ambulanten Terminen lässt kaum eine Reaktion auf konkrete Behandlungsspitzen oder -täler zu. Im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen bei niedergelassenen Physiotherapeuten haben Krankenhäuser weiterhin häufig Abrechnungsnachteile. Während die Personalkosten für Physiotherapeuten im Krankenhaus höher sind, können sie in vielen Bundesländern weniger für die ambulanten Behandlungen abrechnen als ihre niedergelassenen Kollegen. Im Hinblick auf eine wirtschaftlich und organisatorisch effektiv aufgestellte Physiotherapie, sollte jedes Krankenhaus das Angebot ambulanter physiotherapeutischer Behandlungen daher kritisch prüfen.

5         Fazit

Eine physiotherapeutische Abteilung wirtschaftlich aufzustellen, ist eine komplexe Angelegenheit. Dabei darf die zentrale Leitung eines Krankenhauses die Abteilung nicht alleine lassen. Erforderlich sind insbesondere ein strukturiertes Verrechnungssystem und viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Fachbereichen. Unter diesen Bedingungen kann bei der Physiotherapie eine hohe therapeutische Qualität ohne ausufernde Personalkosten erreicht werden.

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